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Wie schlimm ist mein Konflikt? Und was heißt das?

Viele Mediatoren sagen, der Konflikt selbst sei gar nicht das Problem. Für die Konfliktparteien fühlt sich das sicher nicht so an. Das eigentliche Problem sei die Eskalation des Konfliktes. Sollte das stimmen (wir nehmen es schon mal vorweg, es stimmt), dann stellt sich doch gleich ein ganzer Strauß von Fragen: Was macht eigentlich die Eskalation eines Konfliktes aus? Lässt sich die Eskalation konkret beschreiben und wenn ja, ggf. sogar kategorisieren? Und was heißt das für die Konfliktparteien bei der Konfliktlösung und was für den zu Hilfe gerufenen Mediator? 

 

Die gute Nachricht ist: Es gibt tatsächliche einen "Konflikteskalationskompass": Das bekannteste Modell einer solchen  Einteilung stammt von dem österreichischen Organisationsberater und Konfliktforscher Friedrich Glasl. Seiner insgesamt neunstufigen Einteilung, die sich in drei Hauptgrupppen unterteilt, kann man relativ zielsicher entnehmen, ab wann welche Interventionen nötig sind: Während auf der ersten der drei Ebenen die Parteien selbst noch in der Lage sind, eine Lösung zu erarbeiten, bedarf es auf der zweiten Ebene bereits eine externen Dritten, der auf der dritten Ebene nicht mehr mit den Parteien verhandelt, sondern den Streit entscheiden muss. Das gibt den Parteien einen. Guten Anhaltspunkt, welche Massnahmen sie ergreifen müssen, und dem Mediator den Hinweis, ob und wie der Auftrag übernommen werden kann. 

 

Zugleich ergibt sich aus den drei Ebenen, welche Lösung überhaupt (noch) denkbar ist: Auf der ersten kann es für alle Streitparteien ein win-win geben, während die Eskalation auf der zweiten Ebene bereits so weit ist, dass – geht es nach den Konfiktparteien - eine Partei verlieren soll (win-lose). Auf der dritten Ebene gibt es dann kein Halten mehr, denn beiden Seiten geht es um die teilweise oder völlige Vernichtung der anderen Seite, auch wenn dies im schlimmsten Fall den eigenen Untergang bedeutet. (lose-lose).

 

Sehen wir uns also die Einstiegsebene der Konflikteskalation mit ihren drei Stufen einmal an. 

 

Stufe 1: Verhärtung

Eine fast alltägliche Situation: Erste Spannungen treten auf, die unterschiedlichen Meinungen verschiedene Meinungen prallen aufeinander, die Fronten können sich verhärten und verkrampfen. Aber: Noch ist die Situation harmlos, Meinungsverschiedenheiten sind alltäglich und können durch Gespräche gelöst werden. Noch keine Lager- oder Parteienbildung.

 

Stufe 2: Debatte und Polarisation

Die Meinungsverschiedenheit geraten zunehmend fundamentaler, es geht nicht nur um den Austausch unterschiedlicher Meinungen, sondern darum, den anderen durch rationale Argumente zu überzeugen und unter Druck zu setzen. Jeder beharrt auf seinem Standpunkt, kompromissloses Schwarz-Weiß-Denken und verbale Gewalt setzen ein.

 

Stufe 3: Taten statt Worte!

Ab der 3. Stufe wird der Druck auf die andere Seite erhöht, man meint„reden bringt nichts“, Taten sind nötig! Gespräche werden weniger und werden häufig frustriert und ergebnislos abgebrochen. Als Folge daraus beginnen die Konfliktparteien, Fakten zu schaffen und die Gegenseite vor  vollendete Tatsachen gestellt. Das Einfühlungsvermögen für den jeweils anderen weicht Misstrauen und negativen Erwartungen, was den Konflikt noch mehr verschärft.

 

Betreten wir die Ebene 2: 

Stufe 4: Sorge um Image und Bildung von Koalitionen

Es geht nicht mehr um das ursprünglichen Konfliktthema, sondern darum, den Konflikt zu gewinnen. Die Konfliktparteien suchen Verbündete und Unterstützer des eigenen Standpunktes, Koalitionen werden geschmiedet, das eigene Image aufpoliert und Gerüchte gestreut, um das der anderen Seite zu beschädigen. 

 

Stufe 5: Gesichtsverlust

Gerüchte streuen reicht nicht mehr, die Angriffe werden nun direkt und persönlich, erste „Schläge unter die Gürtellinie“ beginnen, man sucht Gelegenheit, den Gegner (!) bloßzustellen. Der Verlust der Moral und des gegenseitigen Vertrauens gehen mit dem Gesichtsverlust einher. Alleine der Anblick des Kontrahenten erzeugt negative Gefühle.

 

Stufe 6: Drohstrategien

Jede Partei versucht, sich durch Drohung einen Vorteil zu verschaffen. Forderung werden jetzt mit der Androhung von Bestrafungen kombiniert. Hier geht es Machtdemonstrationen, die den Konflikt immer weiter eskalieren lassen. 

 

Steigen wir hinab auf die dritte Ebene, in der die Vernichtung des anderen zum Ziel der Auseinandersetzung wird. Ab hier steht fest, dass keine Partei mehr gewinnen kann (lose-lose).

 

Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

Menschliche Umgangsformen treten zusehens in den Hintergrund, der Gegner wird nicht mehr als Mensch empfunden, sondern als Ding. Es geht darum, dem anderen zu schaden, wobei eigene Nachteile in Kauf genommen werden, wenn nur der Schaden des anderen größer ist. 

 

Stufe 8: Zersplitterung

Das Ziel der Auseinandersetzung verengt sich weiter: Neues und wichtigstes Ziel wird der Zusammenbruch des feindlichen Systems. Dazu werden lebenswichtige Funktionen attackiert bis zur physisch-materiellen, seelisch-sozialen oder geistigen Zerstörung.

 

Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund

Hier kommt es zu totalen Konfrontation der Parteien. Wenn man den Gegner mit in den Abgrund reißen kann, dann springt man. Sogar der eigene Untergang wird hierfür in Kauf genommen. Schäden an der Umgebung bzw. an Nachkommen halten die Kontrahenten nicht mehr von ihrer gegenseitigen Vernichtung ab.

 

All diese Stufen sind Beschreibungen einer Eskalation, wie sie in einer Vielzahl von Konflikten wahrgenommen wird. Dabei können im Einzelfall Stufen übersprungen werden oder der Konflikt sich zwischenzeitlich wieder etwas beruhigen. Doch welche Erkenntnisse kann man für die Lösung des Konfliktes ziehen? 

 

Im Grundsatz besteht Einigkeit, dass Konflikte auf den ersten drei Stufen noch friedlich untereinander gelöst werden können, ggf. durch einen vermittelnden Eingriff eines Dritten. Ab der vierten Stufe benötigen die Konfliktparteien in jedem Fall Hilfe von außen, um ihren Konflikt lösen zu können.  

 

Entscheiden sie sich für eine Mediation, so obliegt es dem Mediator im Rahmen der Auftragsklärung sorgfältig zu ermitteln, wie weit der Konflikt bereits eskaliert ist und welche Art von Mediation greifen kann. Je weiter der Konflikt eskaliert ist, umso mehr muss das Mediationsverfahren die Angriffe und Verletzungen auf der Beziehungsebene der Konfliktparteien zum Gegenstand machen, wie dies zum Beispiel die Methode der Klärungshilfe tut.  Mit ihr können daher auch hocheskalierte Konflikte bearbeitet werden. 

 

Aus Sicht der Konfliktparteien ist die Auswahl des geeigneten Mediators oftmals eine black box, da sie das Wissen um Konflikteskalation und passender Interventionsart ja gerade nicht hat. Umso wichtiger wird es daher, im Rahmen der Auftragsklärung ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Art von Konflikten der angefragte Mediator betreut und wo er den Schwerpunkt seiner Tätigkeit sieht. Keine leichte Aufgabe für die Partei sowie den Mediator aber der erste entscheidende Schritt zum Aufbau des Vertrauens, dass die Konfliktparteien brauchen, um sich im Konflikt eine Dritten anvertrauen zu können.  

 

Wenn Sie weitere Fragen zu uns und unserer Arbeitsweise haben, rufen Sie uns gerne an. 

 

Volkhard Neumann

Rechtsanwalt - Mediator BM®

 

neumann@hanselaw.de

T. 040 357 662 24 

M. 0174 988 76 24

 

 

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